
Zugegeben, der deutsche Name könnte prickelnder sein: âRutenhirseâ klingt eher nach altem Zwieback als nach etwas, das man im Garten haben möchte. Dabei ist die Staude des Jahres 2020 â Panicum â das genaue Gegenteil von langweilig und verstaubt! Attraktiv, robust und trockenheitsvertrĂ€glich gehört das Ziergras zu den aktuellen Stars der Gartengestaltung und ĂŒberrascht immer wieder mit neuen, spektakulĂ€ren Sorten â und gleich viel klangvolleren Sortennamen wie âNorthwindâ, âWarriorâ oder âThunder Cloudâ.
Einer, der den Aufstieg der Gattung Panicum genau verfolgt hat, ist Bernd Hertle. Der Professor fĂŒr Freilandzierpflanzen an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf ist auch als Vorsitzender des Arbeitskreises Staudensichtung immer auf dem Laufenden ĂŒber die aktuellen Entwicklungen in der ZĂŒchtung und Pflanzenverwendung.
âMeine erste Begegnung mit der Rutenhirse hatte ich zu Beginn meines Gartenbaustudiums im Sichtungsgarten von Weihenstephanâ, erinnert sich Hertle. âDort stand inmitten einer prachtvollen Asternpflanzung die Panicum-virgatum-Sorte âStrictumâ â eine aufrecht wachsende, sehr standfeste Auslese mit rotbraunen BlĂŒtenstĂ€nden, deren Halme sich im Herbst leuchtend gelb verfĂ€rben. Sie war 1950 die erste hierzulande erhĂ€ltliche Sorte und stammte von Karl Foerster selbst â dem berĂŒhmten StaudengĂ€rtner und -zĂŒchter, der ja die GrĂ€ser ĂŒberhaupt erst in den Fokus der Gartengestaltung gerĂŒckt hat.â
Heute leitet Bernd Hertle die Weihenstephaner GĂ€rten und die Rutenhirse gehört lĂ€ngst zum festen Inventar. âAuf die drei, vier Panicum-Sorten meiner Studentenzeit folgte nĂ€mlich vor etwa 20 Jahren ein regelrechter GrĂ€serboom, als der PrĂ€riestauden-Trend aus den USA nach Deutschland schwappteâ, berichtet der Staudenexperte. Es war also höchste Zeit, das Sortiment genauer unter die Lupe zu nehmen: Rund 30 Sorten wurden im Rahmen der Staudensichtung (siehe Kastenelement) aufgepflanzt und vier Jahre lang regelmĂ€Ăig bewertet â auch in Weihenstephan.
Das Ergebnis bestĂ€tigte die herausragenden QualitĂ€ten insbesondere vieler Echter Rutenhirsen (Panicum virgatum). âSie sind wunderschön, gestalterisch anpassungsfĂ€hig und absolut pflegeleichtâ, fasst Bernd Hertle zusammen. âAls sogenannte Late-Season-Grasses entwickeln sie sich im FrĂŒhjahr etwas langsamer und blĂŒhen erst im Juli/August, sehen dann dafĂŒr aber umso prĂ€chtiger aus.â
Die mal straff aufrecht wachsenden, mal sanft ĂŒbergeneigten Halme sind je nach Sorte grĂŒn, graublau oder glĂ€nzen schon ab dem FrĂŒhsommer mit attraktiven roten Spitzen. Zur Farbenvielfalt der Halme gesellen sich die zarten GrĂ€serblĂŒten, die wie zarte Schleier ĂŒber und zwischen den scharf umrissenen Konturen der Blatthorste schweben. Im Herbst warten schlieĂlich zahlreiche Sorten mit einer herrlichen HerbstfĂ€rbung zwischen leuchtendem Gelb und glĂŒhendem Rot auf.
âGestalterisch ist noch viel mehr möglich als die nach wie vor sehr beliebten PrĂ€riepflanzungenâ, regt Hertle zum Experimentieren an. âPanicum passt lĂ€ngst nicht nur zu Scheinsonnenhut (Echinacea), Prachtscharte (Liatris) und Indigolupine (Baptisia), sondern auch in klassische Staudenrabatten. Zum Beispiel zu Stauden-Pfingstrosen (Paeonia lactiflora), von denen ja ebenfalls viele eine schöne herbstliche LaubfĂ€rbung annehmen, zu Astern oder zu Herbst-Chrysanthemen (Chrysanthemum indicum).â Ăber den Standort muss man sich dabei keine groĂen Gedanken machen, einzig volle Sonne ist ein Muss. âIn der Natur ist Panicum von SĂŒdkanada bis nach Mexico verbreitet und an den unterschiedlichsten Standorten zu finden. Davon profitieren auch die GĂ€rten: Die meisten Gartensorten gehören der Art Panicum virgatum an und gedeihen auf allen mĂ€Ăig trockenen bis frischen Böden. FĂŒr sehr leichte, sandige Böden und an StraĂenrĂ€ndern, wo viele Pflanzen unter StreusalzeintrĂ€gen leiden, eignet sich die Bittere Rutenhirse (Panicum amarum) âDewey Blueâ besonders gut.â
Und das nahezu ohne Pflege. âWĂ€hrend der vierjĂ€hrigen Sichtungszeit haben wir die Pflanzen nicht ein einziges Mal gewĂ€ssert, doch bis auf wenige sehr breitblĂ€ttrige Sorten zeigten sie keinerlei TrockenschĂ€den. DĂŒngen ist auf den typischerweise gut versorgten Gartenböden ebenfalls ĂŒberflĂŒssig.â
Lediglich einen jĂ€hrlichen bodennahen RĂŒckschnitt sollte man den attraktiven GrĂ€sern gönnen. âAber damit unbedingt bis zum zeitigen FrĂŒhjahr warten, sonst beraubt man sich der reizvollen Winteraspekteâ, erklĂ€rt Bernd Hertle und verrĂ€t auch gleich noch seine persönlichen Favoritinnen. âDen besten Winteraspekt hat meiner Ansicht nach âNorthwindâ, die ich auch sonst sehr schĂ€tze. Sehr positiv ist mir auch die wĂŒchsige, 1,50 Meter hohe neue und noch rare Sorte âBadlandsâ aufgefallen, die ein fantastisches kupferfarbenes Herbstkleid hat.â Von den hohen Sorten gefĂ€llt Hertle die bis 2,20 Meter hohe, ebenfalls neue Sorte âThunder Cloudâ am besten. âUnd nach wie vor finde ich auch âStrictumâ sehr schön mit ihren feinen FruchtstĂ€nden und der beeindruckenden HerbstfĂ€rbung.â Irgendwo im Sichtungsgarten, davon ist auszugehen, wird man diese und manch andere Rutenhirse wohl immer antreffen â sie ist definitiv ein Gras mit Zukunft.

Oben: Rutenhirse âSquawâ zeigt sich im Sommer in frischem GrĂŒn mit rötlichen Blattspitzen.
Unten: Ab September bringen violettrote BlĂŒtenrispen und eine rostrote LaubfĂ€rbung spannende Farbeffekte ins Beet.
GroĂes Bild: Die gelbgrĂŒnen Halme der Rutenhirse âWarriorâ verleihen der herbstlichen Rabatte eine fröhliche Note. Lampenputzergras (Pennisetum) und Chinaschilf (Miscanthus) setzen silbrige Glanzlichter.