
Rosen, Schneeglöckchen, Taglilien â es gibt Pflanzen, derentwegen werden weite Reisen unternommen, Feste veranstaltet und Gesellschaften gegrĂŒndet. Es gibt Pflanzen, die sind unauffĂ€lliger, aber treu und unkompliziert und werden deshalb hochgeschĂ€tzt. Und es gibt die Bergenie (Bergenia). Attraktiv in Blatt und BlĂŒte, vielseitig, unkompliziert und verlĂ€sslich und noch dazu in zahlreichen wintergrĂŒnen Varianten erhĂ€ltlich â mit diesen Eigenschaften hĂ€tte jede andere Staude lĂ€ngst einen eigenen Fanclub; die Bergenie jedoch war lange Zeit ein klarer Fall von âverkanntes Genieâ.
âUnd das nur aufgrund eines MissverstĂ€ndnissesâ, bedauert Annemarie Eskuche von der gleichnamigen StaudengĂ€rtnerei im niedersĂ€chsischen Ostenholz. âDie Bergenie galt jahrzehntelang als Schattenpflanze und wurde entsprechend zusammen mit Prachtspieren (Astilbe), Farnen und SchattengrĂ€sern an wirklich dunkle PlĂ€tze unter BĂ€umen gepflanzt. Dort fĂŒhlt sich jedoch eigentlich nur die Kaschmir-Bergenie (Bergenia ciliata) richtig wohl, eine der wenigen nicht wintergrĂŒnen Arten. Alle anderen Bergenien vertragen zwar lichten Schatten, entwickeln sich aber umso besser, je sonniger sie stehen.â
Dass sich Bergenien am liebsten auf sonnigen FlĂ€chen tummeln, ĂŒberrascht nicht, wenn man ihre Herkunft kennt: Die robusten Stauden mit den festen BlĂ€ttern, den fleischigen BlĂŒtenstĂ€ngeln und den in ĂŒppigen BĂŒscheln erscheinenden BlĂŒtenglocken stammen aus Gebirgsregionen in Ostasien. Dort wachsen die meisten Arten auf Kies- und GeröllflĂ€chen mit einigermaĂen frischer, nĂ€hrstoffreicher Erde. âEntsprechend sollten sie auch im Garten verwendet werden, dann sind sie unschlagbar robuste, ganzjĂ€hrig schöne Strukturpflanzen und blĂŒhen ĂŒberreichâ, empfiehlt Annemarie Eskuche. Im Beet bilden Bergenien beispielsweise den passenden Kontrast zu zarten GrĂ€sern und grazilen Stauden wie der Sterndolde (Astrantia), auch in Kombination mit verschiedenen Wolfsmilcharten (Euphorbia), Storchschnabel (Geranium) und Astern kommen sie gut zur Geltung. âBeliebt sind Bergenien aber auch als elegante Einfassungsstauden, denn sie kaschieren BeetrĂ€nder, ohne zu Stolperfallen zu werden. An Teichen fĂŒgen sie sich auĂerhalb der Sumpfzone harmonisch in die Uferbepflanzung ein. Und in SteingĂ€rten oder PflanzgefĂ€Ăen können sie sich einzeln oder in Gruppen endlich einmal richtig in Szene setzen.â
Die Gartenszenerie beleben, das können Bergenien wirklich und zwar rund ums Jahr â das bekanntlich im Winter beginnt. Der hat bei Bergenien seinen ganz besonderen Reiz: Sobald der erste Frost seinen eisigen Atem ĂŒber die glĂ€nzenden BlĂ€tter gehaucht hat, erglĂŒhen sie in den herrlichsten Rottönen. Dieser wunderhĂŒbsche Anblick bleibt auch dann noch erhalten, wenn sich je nach Art und Sorte von MĂ€rz bis Ende Mai feste StĂ€ngel mit groĂen weiĂen, rosafarbenen, pinken oder purpurroten GlockenblĂŒten aus der Erde schieben. âErst danach werden die alten BlĂ€tter allmĂ€hlich braun und sollten herausgezogen werden, damit die frischgrĂŒnen neuen richtig zur Geltung kommenâ, rĂ€t Eskuche. Der einzige Nachteil an den hiesigen Wintern: Sie bringen nur selten eine schĂŒtzende Schneedecke. âSehr frĂŒh blĂŒhende Sorten sind daher spĂ€tfrostgefĂ€hrdet und sollten nur an geschĂŒtzten Stellen gepflanzt werden.â Das macht aber gar nichts, denn das Sortiment hĂ€lt zahlreiche spĂ€ter blĂŒhende, aber Ă€uĂerst attraktive Sorten bereit. ââPink Dragonflyâ ist wegen der spannenden Farbkombination einer meiner Favoriten: Ăber dem leuchtend roten Herbstlaub öffnen sich zartrosafarbene BlĂŒten, die nach einiger Zeit in Lachsrosa umschlagenâ, schwĂ€rmt die StaudengĂ€rtnermeisterin. Auch âJokerâ (rosa, dezente HerbstfĂ€rbung), âOeschbergâ (pink, intensive HerbstfĂ€rbung) und âEroicaâ (pinkviolett, im Herbst rotgrĂŒn mit leuchtend roter Blattunterseite) zĂ€hlen zu ihren Lieblingssorten. âAuĂerdem die rosafarbene Sorte âHerbstblĂŒteâ, die sieht nicht nur toll aus, sondern blĂŒht auĂerdem ab August ein weiteres Malâ, freut sich Annemarie Eskuche. Wer weiĂ, das mit dem Fanclub fĂŒr die Bergenie könnte letztlich doch noch klappen.

Oben: Zu den breiten BergenienblÀttern passen ZiergrÀser, Farne und andere Stauden mit eher schlanken, in die Höhe strebenden Strukturen.
Unten: Leuchtfeuer: Die Sorte 'WintermĂ€rchen' (Bergenia purpurascens) wird gerade mal 20 bis 30 cm hoch, aber ihre fantastische BlattfĂ€rbung nach dem ersten Frost ist nicht zu ĂŒbersehen.
GroĂes Bild: Jedes BlĂŒtenbĂŒschel ein kleines StrĂ€uĂchen: 'David' (Bergenia Hybride) schmĂŒckt sich ab April mit leuchtend rosaroten BlĂŒten  â ein reizvoller Kontrast zu den vom Winter noch rot-grĂŒn verfĂ€rbten BlĂ€ttern.