
Ein Gras, das fĂŒr Botaniker kein âechtes Grasâ ist, als Staude des Jahres? Was hat sich der Bund deutscher StaudengĂ€rtner denn dabei gedacht! Das könnte man im ersten Moment denken, denn prĂ€chtige BlĂŒten oder einen zarten Duft sucht man bei der Gattung der Seggen (Carex) vergeblich. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch schnell klar, wie die Staudenprofis zu ihrer Entscheidung gelangt sind.
Seggen sind Weltenbummler, und das schon seit mehr als 30 Millionen Jahren, wie fossile Pflanzenfunde beweisen. Bis auf das tropische Tiefland kommen sie nahezu ĂŒberall vor. Besonders viele der geschĂ€tzten 1.000 Arten stammen allerdings aus Nordamerika und Ostasien. âZu den vielen VorzĂŒgen der Seggen gehören ihr malerischer Wuchs, ihre Langlebigkeit und AnpassungsfĂ€higkeitâ, sagt Cornelia Pacalaj von der gartenbaulichen Lehr- und Versuchsanstalt in Erfurt. Sie verweist auf die dreikantigen Halme, durch die sich die Seggen eindeutig von den SĂŒĂgrĂ€sern (Poaceae) mit hohlen knotigen Halmen und den Binsen (Juncaceae) mit runden markigen Halmen unterscheiden. Durch ihre Arbeit im Versuchswesen und in der Staudensichtung weiĂ die GrĂ€serexpertin: Seggen zĂ€hlen schon lange zu den heimlichen Stars der Staudenszene, sei es im Garten, in öffentlichen GrĂŒnanlagen oder auf dem Balkon.
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Jede Segge ist fĂŒr sich ein kleines Kunstwerk. Die dreireihig angeordneten schmalen bis breiteren BlĂ€tter wachsen elegant bogig ĂŒberneigend. Sie bilden dichte Horste, dank derer sie als Einzelpflanze im Topf ebenso attraktiv aussehen wie am Beetrand oder mitten in der Rabatte. Und das, obwohl die Zwerge unter den Seggen gerade einmal 5-10 cm hoch werden, etwa die Haarstielige Segge (Carex capillaris). Selbst die gerne als âRiesen-Seggeâ bezeichnete HĂ€nge-Segge (Carex pendula), die mit ihren bis zu 120 cm hohen BlĂŒtenstĂ€nden als eine der gröĂten Carex-Arten gilt, ist im GrĂ€serreich gröĂentechnisch eher MittelmaĂ. DafĂŒr bietet die Gattung eine unglaubliche Palette an GrĂŒntönen in allen nur erdenklichen Abstufungen. âNeben GelbgrĂŒn und sattem DunkelgrĂŒn bis hin zu Blau- und GraugrĂŒn gibt es auch rötliche Varianten, etwa die Sonne liebende Fuchsrote Segge, Carex buchananii. Am beliebtesten sind jedoch die dekorativ gestreiften Sorten. Die WeiĂbunte Zwerg-Segge (Carex conica âSnowlineâ) und die Japan-Gold-Segge (Carex oshimensis âEvergoldâ) punkten beispielsweise mit ihrem auffĂ€lligen Farbenspiel und sind noch dazu, wie viele Seggen, immergrĂŒn. Wie alle gestreiften und immergrĂŒnen Sorten mögen sie keine intensive Sommersonne und bevorzugen deshalb einen Standort im lichten Schatten von Gehölzen.
âFast alle hierzulande erhĂ€ltlichen Arten und Sorten zeichnen sich durch eine gute ForsthĂ€rte aus. Vor allem aber findet sich fĂŒr nahezu jeden Platz eine Art, die dort exzellent wĂ€chstâ, sagt Cornelia Pacalaj. Die meisten Seggen bevorzugen zwar frischen Boden, also ein gutes MittelmaĂ an Feuchtigkeit, aber es gibt auch Arten fĂŒr die Extreme: Der zart anmutenden Winkel-Segge (Carex remota) etwa machen nasse FĂŒĂe gar nichts aus, im Gegenteil. In der Sumpfzone am Teichrand fĂŒhlt sich die 30 cm hohe Blattschönheit pudelwohl. Die Sand- oder NĂ€hmaschinen-Segge (Carex arenaria) hingegen â mancher Urlauber kennt sie sicher von den DĂŒnen der Nord- oder OstseekĂŒste â liebt trockene, durchlĂ€ssige Standorte und durchzieht diese mit ihren Rhizomen in lang gestreckten BĂ€ndern, die einer NĂ€hmaschinennaht Ă€hneln.
âIm Garten und in GrĂŒnanlagen haben Seggen vor allem deshalb viele Fans, weil zahlreiche Arten und Sorten selbst im tiefsten Schatten von BĂ€umen und Gehölzen noch gedeihenâ, erklĂ€rt die Gartenbau-Ingenieurin. FĂŒr FlĂ€chenpflanzungen kommen auslĂ€uferbildende Exemplare wie die weiĂgestreifte Japan-Segge âIcedanceâ (Carex morrowii ssp. foliosissimaâIcedanceâ) infrage. Die meisten Arten setzen jedoch â mit etwas Abstand einzeln oder in losen Gruppen gepflanzt â mit ihrer klar strukturierten Form sowohl in puristisch gestalteten als auch in naturnahen Pflanzungen Akzente. âSeggen sind wie TangotĂ€nzer: NatĂŒrlich kann man sie auch in eine enge Disco quetschen, aber damit ihre schöne Gestalt und ihre eleganten Bewegungen optimal zur Geltung kommen, sollte man ihnen ein wenig Freiraum gönnenâ, rĂ€t Cornelia Pacalaj.
Als Partner empfiehlt sie FrĂŒhblĂŒher wie Schneestolz (Chionodoxa) oder Hasenglöckchen (Hyacinthoides hispanica) sowie niedrige Bodendecker, wie die Haselwurz (Asarum europaeum), die mit ihren rundlichen immergrĂŒnen und glĂ€nzenden BlĂ€ttern einen reizvollen Gegensatz zu den filigranen Halmen bildet. Auch Waldmeister (Gallium odoratum), das schwachwĂŒchsige WeiĂe ImmergrĂŒn (Vinca minor âAlbaâ oder âGertrud Jekyllâ) oder flachwachsende Elfenblumen (Epimedium â Staude des Jahres 2014) bilden einen dichten BlĂ€tterteppich, ĂŒber dem sich die fontĂ€nenartige Gestalt der Seggen gut abhebt. âAuch mit Funkien (Hosta) oder den in vielen Farbvarianten erhĂ€ltlichen Purpurglöckchen (Heuchera) lassen sich reizvolle Kontraste erzielen â auf dem Beet ebenso wie in PflanzgefĂ€Ăen auf Balkon oder Terrasse. Seggen sind eben GrĂ€ser fĂŒr alle FĂ€lle.â Und als solche haben sie den Titel âStaude des Jahresâ absolut verdient.
Seggen (Carex) sind ausgesprochen robust und langlebig. Wer eine zum Standort passende Art gewĂ€hlt hat, muss sich um die Pflege keine gröĂeren Gedanken machen. âWo Seggen unter Gehölzen wachsen, genĂŒgt es oft schon, das im Herbst herabfallende Laub liegen zu lassen, sodass es sich zu wertvollem Humus umwandeln kann. Oder man verteilt im FrĂŒhjahr etwas Kompost zwischen den Pflanzenâ, rĂ€t Cornelia Pacalaj von der gartenbaulichen Lehr- und Versuchsanstalt in Erfurt. Ein RĂŒckschnitt ist oft nicht erforderlich: âWen die alten Halme und BlĂ€tter stören, der kann sie einfach âauskĂ€mmenâ, indem er mit den HĂ€nden wie mit einem Rechen hindurchfĂ€hrt und die Pflanze ausputzt oder ârauftâ, wie so manchâ alter GĂ€rtner rĂ€t. Weil die BlattrĂ€nder scharfkantig sein können, sollte man dabei Handschuhe tragen.â
Der vielleicht wichtigste Pflegetipp betrifft die vielen wintergrĂŒnen Arten, die selbst mit glitzerndem Raureif ĂŒberhaucht in Beet und Balkonkasten die Stellung halten. âInsbesondere Seggen in PflanzgefĂ€Ăen sollten an frostfreien Tagen von Zeit zu Zeit gegossen werden. Da sie ihre BlĂ€tter behalten, benötigen sie auch im Winter ausreichend Feuchtigkeit. Braune BlĂ€tter sind in der Regel nicht nur KĂ€lte- sondern vor allem TrockenschĂ€den.â Bei Versuchen mit verschiedenen Materialien zur Bodenabdeckung hat Cornelia Pacalaj auĂerdem festgestellt: âSeggen vertragen keinen Rindenmulch. Wir können noch nicht genau sagen, weshalb, aber diese Art der Bodenabdeckung lĂ€sst die Pflanzen an der ErdoberflĂ€che abfaulen.â Sie empfiehlt stattdessen, je nach Standort und Gestaltungsstil, Kies und Miscanthus-HĂ€cksel (Chinaschilf). Einfach selbst herstellen lĂ€sst sich gehĂ€ckseltes Laub, das besonders unter Gehölzen sehr natĂŒrlich wirkt und den Boden gleichzeitig mit Humus anreichert. Das Laub kann mit einem RasenmĂ€her auch kleingehĂ€ckselt werden.

Oben: Woher die Morgenstern-Segge (Carex grayi) ihren Namen hat, wird beim Anblick der BlĂŒten- und FruchtstĂ€nde dieser 60 bis 90 cm hohen Segge schnell klar.
Unten: Mit dieser auffÀllig Breitblatt-Segge (Carex plantaginea) sind auch feinblÀttrige GrÀser abwechslungsreich zu kombinieren.
GroĂes Bild: Traumpaar fĂŒr schattige Gartenecken: Carex foliosissima Icedance und verschiedene Hosta.